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    •  Ötztaler Alpen (2007)






Radierexpedition in die Ötztaler Alpen, März/April 2007
 

Beweggründe zur Radierexpedition


Ich trage eine fest verwurzelte Liebe zu den Bergen in mir, so dass sie über die Jahre ein kleines Stück innere Wahlheimat geworden sind.


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Meine Iglu−Suite

 

Mit der Zielstellung nach Wesentlichkeit und Abstraktion war es unausweichlich, nach ungesehenen Räumen und Größe neuer Art im Kontrast der großen plateauartigen Gletscherflächen zu den schwarzen Felsabbrüchen in höher gelegenen Gebieten zu suchen.


In den letzten Jahren diente mir das Iglu als Küche oder kurzzeitiger Schlafraum. Nun, in den ötztaler Alpen lebte ich die gesamten zwei Monate in dem allein gebauten Iglu mit Küche, separatem Schlafraum und einem Kloiglu. Dadurch bekam das Leben und Wohnen in und mit allen Elementen einen um weites intensiven und sensuellen Charakter.


Vom 10. März 2007 an lebte ich zwei Monate im Gletschergebiet des Vernagt− und Gepatschferners in den Ötztaler Alpen auf rund 3000 Metern, oberhalb der Vernagthütte. Für die völlig autarke Lebensweise reiste ich mit 280 Kilogramm Expeditionsgepäck Gepäck an.


Darunter befanden sind unter anderem cirka 100 Kilogramm Lebensmittel, 45 Kilogramm Zinkbleche inklusive Arbeitswerkzeug, 22 Liter Treibstoff, Klamotten und Ausrüstung.

 

 
 

Tagebuchaufnahmen vom Diktiergerät


Die Vernagthütte.


Sie liegt in den Ötztaler Alpen auf 2.766 Meter.


Aus dem überfüllten, warmen, stickigen, nach Essen duftenden und nach Socken stinkenden, lauten, quirligen, Gelächterüberfüllten Gastraum stolpern leicht angetrunkene Skifahrer auf die Herrentoilette um das Pissoir aufzusuchen, als sie am Waschbecken, leicht vorn übergebeugt über einer blauen Plastiktonne einen Mann stehen sehen – verwildert, Blasen vom Sonnenbrand auf der Stirn, eine Rote Nase, einen zerzausten sonnengegilbten Bart, Klamotten die einen absonderlichen Geruch abgeben – der in ein gelbes kleines Plastiktrinkgefäß Wasser hinein lässt und es platschend in die Tonne kippt.


Dieses Prozedere wiederholt er einhundert bis zweihundertmal, während die nach und nach hereinstolpernden Skifahrer irritiert davon absehen diesen Herrn zu grüßen oder das Waschbecken zu benutzen und ohne einen Blick stillschweigend den Raum verlassen.


Nach einer Viertelstunde ist die Blaue Plastiktonne voll.


Der bleichbärtige Strolchige schnallt seine Schneeschuhe an, schält sich in die mehreren Schichten von Jacken und Pullovern, verlässt bei Dämmerung die Hütte und verschwindet in den schneestöbernden Wolken.


Das bin Ich, Bewohner einer ganz, ganz winzigen Siedlung. Cirka 200 Höhenmeter höher und auf einem Felssporn südlich der Hütte gelegen.


 

Das Wasser nutze ich, um an heißen Tagen mein Iglu und vor allem die Mauer des Eingangsbereiches gegen die starke Sonneneinstrahlung vor dem Verfall und dem Wegschmelzen zu schützen.


Ich gieße es am Abend bei Gefrierung und Verfirnung darüber und hoffe so, der Vereisung ein klein Stück schneller näher zu kommen.

Kernstück meiner Siedlung ist ein großes geräumiges Doppeliglu.


Ein kleiner verwinkelter Eingang zeigt nach Norden, dahinter ein Windfang, wo der stöbernde Schnee sich legen kann und dann eine Decke, die zurückgeschlagen nur eine winzige Öffnung freigibt um sich hinein zu schälen, dahinter befindet sich der Schlafraum.


Platz genug für ein, zwei Aluminiumkisten, für Utensilien die keine Nässe vertragen, auf dem Boden die Decke mit der Isoliermatte und dem Schlafsack, allerlei Kleinkram, und rechts, auch mit einer Decke abgehangen, eine kleine Türöffnung wo dahinter sich die Küche verbirgt. Dort wiederum, flächenmäßig kleiner aber dafür ein Ort, wo man den Rücken durchstrecken und genüsslich sich aufrecht hinstellen kann.


Oben an der Maximalstelle ein kleines Koch – Abzugsloch, darunter der Benzinkocher, drum herum kleine Gefäße mit Nahrungsmitteln, Dosen, Utensilien, etc.


Des Weiteren befindet sich auf diesem kleinen Sporn ein Zweimannzelt. Es dient mir als Trockenbox.


Denn tagsüber, wenn die Sonne richtig knallt, werden es über 60 Grad darin. So kann ich im Nu nasse Kleidungsstücke trocknen und Lebensmittel auftauen. Nachteilig daran ist, dass das Zelt selbst durch die Wärme sehr ungleichmäßig nach unten sinkt und ich aller paar Tage dieses Zelt entweder versetzen oder nach auffüllen der einstigen Grube wieder neu aufstellen muss.

 

 
 

Als drittes befindet sich wie in einem kleinen Dreieck daneben das Kloiglu. Wahrscheinlich das schönsteTrockenklosett der Welt, geschützt vor aller Witterung und mit einem wunderbaren Blick ins Tal.


Es ist später Vormittag.


Ich sitze windgeschützt hinter meinem Iglu, taue Schnee auf den schwarzen Deckeln der Tonnen und in dem aufgewärmten Plastepulka auf, trinke genüßlich ein Schluck Tee, schreibe etwas Tagebuch und schaue mir, zwar noch immer mit leicht kalten feuchten Füßen aber dennoch gesättigtem Magen nach meiner Vormittagsmalzeit, in Ruhe die ziehenden Wolken an.


Wie aus einer nostalgischen Schnellzugdampflock quirlen die großen Dicken Haufenwolken aus dem Tal an mir vorbei als würde da unten ein riesengroßer Suppentopf überquellen und brodeln.


Und dennoch ist es still.


Die einzigen Geräusche verursachen entweder vorbeiziehende Flugzeuge, miteinander zirpende Alpendolen oder wahrnehmbar ich selbst, da der Wind sich an meinem ärmel, meiner Mütze oder an meiner Jacke verfängt.


Ansonsten gibt es nichts was hier Geräusche verursacht.


Es ist still, absolut. Und wunderschön.


Manchmal hüllen die Wolken mich urplötzlich ein. Wie Dunst oder Nebel, dabei ist es nur die Höhe die hier die Wolken spüren läßt, die ich ansonsten im Tal nur von unten als große Maße wahrnehme.

Es schauen Gipfel raus, im Tal scheint auf einmal kurz die Sonne und dann ist der Blick wieder unendlich frei, auf große mit Neuschnee überdeckte Gipfel, auf Zacken, auf Gletscher und rechts neben dem Iglu die Hänge an denen frische Schneebretter herunter gekommen sind, nachdem die Nacht soviel Neuschnee gebracht hat.


Nach nun fast vier Wochen fühle ich mich schon eng verbunden mit diesem Ort. Fast verwachsen. Jeden Winkel spüre ich den die Sonne frei gibt, jedes Fleckchen Schnee was dazu gekommen ist.


Ich kenne mittlerweile jeden Blick von hier.


Ich lebe im Kreislauf von Tag und Nacht, Mondaufgang und Untergang, Sonnenauf– und Untergang und ganz unterwürfig dem hiesigem Wetter. Das gibt den Rhythmus vor: ob ich Touren machen kann und Radieren gehen kann, ob ich mich draußen aufhalten kann oder nicht, oder es zu warm ist um im Iglu zu kochen und dafür die Mahlzeiten zu verschieben oder besser draußen zu kochen.


Die absolute Selbstverantwortung lässt ein riesengroßes Gefühl von Freiheit aufkommen. Jede Entscheidung ist wichtig, wesentlich, fast sogar überlebensnotwendig, und ständig müssen Entscheidungen getroffen werden. Um gesund zu bleiben, um satt zu sein, um zur richtigen Uhrzeit nicht im Schneegestöber zwischendurch irgendwo liegen zu bleiben.


Denn ich bin hier allein. Auf mich selbst gestellt.


Die Berge zeigen soviel Kraft und Maße.

 

 
 

Jeder kleine Winkel hat Charakter und Eigenform und alles ist ständig in Bewegung. Der Schnee mit den Eigenformen die es im Sommer ja gar nicht gibt, gerade Linien oder zur unendlichen Spannung filigran gewachsene Bögen, Mulden, Senken zwischen Gletschern. Dunkle, schwarze oder manchmal auch in der Sonne rot glitzernde kraftvolle Felspartien.


Riesengroße Räume über Tälern oder die Luft die zum barsten in Spannung gebracht ist zwischen großen Felsflanken oder sich auftürmenden Gipfeln.


Es sind diese kraftvollen Maßen und diese riesengroße Räume die mich zum künstlerischen Schaffen antreiben und die mich in Spannung versetzen.


DIE FORM IST EWIG.


SIE BLEIBT.


Das Gebirge an sich, der Fels, das sich über Millionen Jahre auftürmende Gebirge hat Gesetze inne. Sie bleiben und die Form bleibt und damit der Charakter, zumindest im Maßstab der Generationen.

 

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Auf dem Weg zur Arbeit